Der Hanuschhof in Wien beherbergt die 2022 von Privat der Stadt Wien übertragene Kunstsammlungen von Heidi Goës-Horten. Die Sammlerin knüpfte bei der Zusammenstellung an Werke der klassischen Moderne an, die noch aus der Zeit ihrer ersten Ehe mit Helmut Horten stammte. 1987 begann sie mit dem systematischen Ausbaut des Bestandes und konzentrierte sich dabei zunehmend auf Gegenwartskunst. Mit der Übergabe der Sammlung an die Stadt Wien hat zugleich der von Robert Oerley als Remise errichtete Hanuschhof eine Transformation erfahren, veranlasste doch die Sammlerin einen grundlegenden Umbau, so dass schließlich von den verschiedenen aufeinander folgenden Nutzungen des Gebäudes als Badeanlage, Wäscherei und Ateliers nichts mehr zu merken ist.
Die aktuelle Hängung im Hanuschhof greift die Sammeltätigkeit auf, indem sie Korrespondenzen zwischen den Werken aufzeigt. So kommt etwa ein Gemälde mit Rehen von Franz Marc unmittelbar neben einem Werk von Roy Lichtenstein zu hängen, der sich offenkundig bei seiner Arbeit an Marc orientierte und lediglich das Motiv stilistisch der ihm eigenen Pop Art anpasste. Ebenso überraschend wie überzeugend ist die Zusammenführung einer Arbeit von Lucio Fontana mit einer formal praktisch gleichen Arbeit von Maurizio Cattelan. War Fontana mit seinen als „Conceto spatiale“ bezeichneten durchstoßenen oder geschnittenen Leinwänden bekannt geworden, mit denen er zeigen wollte, dass ein Gemälde nicht nur in seiner Fläche besteht, sondern als räumliches Gebilde zu betrachten ist, ist Cattelan im kunstgeschichtlichen Kanon vor allem durch seine skurrilen Skulpturen und Installationen bekannt. Erinnert sei hier an die Installation, die das Oberhaupt der katholischen Kirche in vollen Ornat zusammengebrochen neben einem Öltank zeigt. Cattelan hatte die Arbeit für die Biennale in Venedig konzipiert und als Ort das Arsenal mit den Spuren seiner alten Funktionen gewählt. Seine Arbeit in der Horten Collection besteht nun in einem Gemälde, dessen Leinwand mit einem z-förmigen Schnitt durchzogen ist. Zwischen den beiden motivisch und formal korrespondierenden Werkgruppen hängen einige der scheinbar gleichförmigen und doch im Einzelnen variierenden Blumenbilder Warhols und einige frühe Arbeiten von Jean-Louis Basquiat. Aus letzteren wird die Nähe Basquiats zur Pop Art deutlich, die sich bei seinen späteren Arbeiten verliert.
Es sind dies nur wenige Beispiele, die um Arbeiten von Georg Baselitz, Marc Chagall, Anselm Kiefer, Paul Klee, Yves Klein, Gustav Klimt, René Magritte und viele weitere bedeutende Vertreter der Kunst des 20. Jahrhunderts zu ergänzen wären. Immerhin umfasst die Sammlung aktuell ein Konvolut von rund 700 Arbeiten, das stetig anwächst. Bei der aktuellen Hängung unter dem Stichwort „Von Warhol bis Klimt“ hat sich das Haus auf „Lieblingswerke“ des Publikums konzentriert. Um diese zu ermitteln, ging der aktuellen Schau eine Befragung voran, bei der Besucher die von ihnen präferierten Werke benannten.
Die hier zum Ausdruck gebrachte Hinwendung zum Publikum kommt aber noch an anderer Stelle zum Ausdruck, nämlich der Raumausstattung. Zwischen den Gemälden treten Möbel in Erscheinung, doch so dezent, dass sie den Kunstwerken nicht die Schau stehlen. Gleichsam als Schattenobjekte heben sie sich verhalten von der Wand ab und tragen lediglich dazu bei, dem Ausstellungsraum ein wohnliches Ambiente zu verleihen. Mit dem Konzept verbindet sich die Erinnerung daran, dass die von einer privaten Person angelegt wurde. Die Kunstwerke befanden sich in ihren Wohnräumen und waren so Teil des täglichen Lebens der Sammlerin. Zugleich wird aber auch deutlich, wie verschiedene Kunstformen zueinander in Beziehung treten und damit die längst aufgehobene Trennung von angewandter und freier Kunst ein weiteres Mal demonstriert wird. Die als „Wandarbeiten“ zu bezeichnenden gemalten Möbel und Ausstattungsgegenstände stammen von Martin Schinwald, der 1973 in Salzburg geboren, sich zunächst der Mode, dann Fotografie, Video und Performance zuwandte.
Der Bezug zum Raum, der schließlich die gesamte Sammlung und ihre Ausstellung im Hanuschpalais in ein einziges Gesamtkunstwerk überführt, ist eines der leitenden Prinzipien, die konsequent über Raum und Zeit beibehalten wird. So sind sämtliche Toilettentrakte auf jeder Etage mit wandhohen Spiegeln ausgestattet, bei denen es sich um Werke von Andreas Duscha handelt. Der Künstler hat jeden der Spiegel mit Blumenmotiv versehen, das auf jeder Etage einer eigenen Thematik zugeordnet ist. So erinnern beispielsweise die Nelken an die Symbolik der friedlichen Revolution, während auf der Etage darüber die Blumen invasive Entwicklungen in Erinnerung rufen wollen. Nicht nur demonstriert Duscha hier im Rückgriff auf eine venezianische Technik ein den Dingen immanentes Eigenleben, sondern ebenso kehrt er die rätselhafte Undurchdringlichkeit des Spiegels hervor, dessen schwärzliche Einschreibungen Spuren eines vergangenen Gebrauchs zu sein scheinen, palimpsestgleiche Ablagerungen einer vergängigen Zeit. All diese neben den Sammlungsstücken bedachten Details, gleichsam die scheinbar randständigen Aspekte, die nicht mehr zur Ausstellung gehören und doch wesentlich das Schauen beeinflussen, tragen dazu bei, dass die Aufmerksamkeit gelenkt und durch ständig neue Ausrichtung lebendig gehalten wird. So gliedert sich die als temporäre Schau konzipierte zweite Etage organisch dem Gang durch die ständige Sammlung an. Ausgewählt sind explizit mit Licht, Geräusch und sogar Geruch verbundene Werke, häufig die Lichteffekte mit solchen von Geräuschen gekoppelt. So erschließt jedes Werk einen neuen Klangraum. Bei Carsten Nicolai wird er über Kopfhörer zugänglich, wobei die Klänge durch eine Auswahl von Schallplatten bereitgestellt werden. Diese vom Künstler als eigenes Klang-Archiv konzipieren Platten unterscheiden sich nicht nur von ihren Klängen her, sondern ebenso ihrer Farbigkeit, ist doch lange mit Zelluloid konnotierte das Schwarz alter Schallplatten durch ein modernes Material ersetzt, das leuchtendes Rot, Grün oder Gelb aufweist. Auch dort, wo nicht zwangsläufig ein Geräusch zu erwarten ist, wie beispielsweise bei der Deckenskulptur, die Hans Kupelwieser aus verbogenen Aluminiumblechen gefertigt und mit einer matten und doch schillernden roten Farbe beschichtet hat.
Neben den internationalen Vertretern der Licht- und Klangkunst wie Dan Flavin, Olafur Eliasson findet sich auch die österreichische Szene vertreten, was wiederum bedingt, dass die Horten Collection nicht als eine unter vielen Sammlungen erscheint, die einem geläufigen und vom Kunstmarkt diktierten Sammelkonzept folgen, sondern durchaus eine eigene Note hervorkehrt. Zu nennen ist etwa Bernhard Leitner mit Sepentinata aus dem Jahre 2006, ist weiterhin Brigitte Kowanz mit gleich mehreren Lichtwerken und nicht zuletzt Martin Walde, dessen aus Glas geblasenen Objekte an die für naturkundliche Museen bereitgestellten Glasmodelle von Leopold und Rudolf Blaschke erinnern. Sind die Blaschke-Exponate kaum noch in Museen gegenwärtig, belebt Walde die wundersame Welt der Mikroorganismen. Gegenüber ihren Vorbildern, die ebenso in Erich Haeckels Formen der Natur zu suchen sind wie in makroskopischen Aufnahmen von Einzellern, Zellentierchen und anderen dem bloßen Auge nicht zugänglichen Wesen, haben sie bei Walde stattliche Ausmaße angenommen, die zudem geheimnisvoll leuchten und im Leuchten das Schwingen ihrer tentakelartig ausgreifenden Fäden und Fasern zur Schau stellen.
Licht und Klang reiht sich als weiterer sinnlicher Aspekt der Geruch an. Er strömt von einem mit Nelkenpulver in ein Netz gehängtem Gefäß in der Installation von Ernesto aus, ebenso aber auch von der mit leuchtenden Linien durchzogenen Metallkugel von Helga Griffiths. Mit Migratory Sense will die Künstlerin, wie im Titel ihrer Arbeit bereits anklingt, einen Geruch wachhalten, der sich mit einer durch Flucht verlorengegangenen Heimat verbindet. Entwickelt hat sie so den Duftstoff für ihre Skulptur zusammen mit dem aus Syrien geflohenen Muhammad Szizi. Er verbindet sich mit Erinnerungen an Damaskus oder will diese Erinnerungen wieder wachrufen.