Onkel Wanja von Anton Tschechow

Schauspiel Frankfurt, Regie: Jan Bosse

Sicher zählen die Stücke von Anton Tschechow zu den Klassikern der Bühne. Gerade das Schauspiel Frankfurt bringt mit Regelmäßigkeit das eine oder andere zur Aufführung. Vordergründig scheinen Langmut, wenn nicht gar das sich in Langeweile erschöpfende Leben des wohlhabenden Bürgertums im Vordergrund zu stehen. Die Stücke von Tschechow fokussieren vornehmlich Aufenthalte auf den Landgütern während der langen Sommermonate. Die Anwesen dienen als Rückzugsort und bieten eine dem Leben in der Stadt entgegengesetzte Atmosphäre der Entspannung und Idylle. Doch scheinen die Protagonisten wenig von den Möglichkeiten auf dem Lande zu profitieren.

Nachdem die üblichen Vergnügungen der Jagd, des Fischfangs und kleiner Ausflüge in die Umgebung ausgeschöpft sind, setzt die Langeweile ein. Um sie gruppieren sich die verschiedenen Unterhaltungen, in denen sich die immer gleichen Betrachtungen über das Leben wiederholen. Doch bilden Gleichmut und Langeweile nur die Oberfläche, unter der die allerhand Spannungen schwelen. Schnell wird deutlich, dass der Rückzug aufs Land nicht nur eine Flucht aus der Stadt ist, sondern auch eine Art Flucht vor dem eigenen Leben darstellt. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass auch diejenigen, die dauerhaft auf dem Lande leben, keineswegs mit ihrem Dasein zufrieden sind, dass sie sich im Gegensteil von ihren städtischen Verwandten zurückgesetzt fühlen oder gar übervorteilt werden.

Was sich als Tendenz durch die Stücke Tschechows zieht, bildet auch den Kern von Onkel Wanja. Die Inszenierung im Schauspiel Frankfurt sucht dem nun mit einer vom Bühnenbild, den Kostümen und dem Auftreten der Schauspieler ihre eigene Interpretation entgegenzusetzen, die von der ursprünglichen Atmosphäre Tschechow’scher Stücke nicht mehr viel übriglässt. Dabei fällt weniger in Gewicht, dass sämtliche Dialoge der alten Kinderfrau Njanja auf Sonja übertragen sind, wobei Njanja durchaus auf der Bühne gegenwärtig ist, nur vollkommen stumm bleibt, dass die Protagonisten sich bei den nächtlichen Dialogen in Schlafbekleidung begegnen oder die verschiedenen etwas zu laut vorgetragenen Gesangseinlagen. Vielmehr verwundert es, dass das Landgut, auf dem die Handlung spielt, als Baustelle ausgewiesen ist, dass der alte Arzt Michail Lwowitsch Astrow (gespielt von Wolfram Koch) jeden seiner Auftritte mit dem lauten Tröten eines Kinderspielzeuges begleitet oder das die Frau des Professors (Melanie Staub) permanent ihre Kostümierung wechselt. Sicher mögen dies alles Details sein, über die das in seinen Grundfesten erschütterte Leben aller angedeutet wird, die als Ausdruck von Sinnentleerung und Langeweile dienen. Dabei tritt schnell in den Hintergrund, dass bei Tschechow Gedanken geäußert werden, die heute mehr denn je Aktualität haben. Etwa engagiert sich Astow für den Erhalt des Waldes und schlägt in dem Zusammenhang vor, anstelle von Holz Torf zu verheizen und nicht mit Holz, sondern mit Stein zu bauen. Wanja (Heiko Raulin) gespeilt von wiederum erkennt den Wert des Landguts, das er über viele Jahre selbstlos verwaltet hat, um den in der Stadt lebenden Professor (gespielt von Peter Schröder) zu ernähren. Das Gut ist nicht nur für ihn ein Zuhause, sondern nicht weniger für seine Nichte Sonja und deren Mutter Maria Wassiljewna Wojnizkaja (gespielt von Christina Geiße).

In der Frankfurter Inszenierung treffen nun auf eine merkwürdige Art und Weise die Modernität einer Interpretation und Demonstration einer dem Stück eigenen Sinnentleerung aufeinander, ohne dass sich ein schlüssiges Gesamtbild ergäbe. Doch vielleicht trifft dies genau den Zeitgeist. Der Erfolg beim Publikum jedenfalls gibt der Aufführung recht. Der Applaus am Ende war ausgiebig, anhaltend und voll ehrlicher Begeisterung. Frankfurt am Main