Der Geizige

Drama in fünf Akten von Molière, inszeniert von Mateja Koležnik im Schauspiel Frankfurt

(C) Thomas Aurin

1668 im Palais Royal in Paris uraufgeführt, kommt Molières Klassiker, in dem es um Besitz, Geld und ein angemessenes Verhältnis von Sparsamkeit und Lebensqualität geht, im Frankfurter Schauspiel 2023 in der Inszenierung von Mateja Koležnik mit Erfolg zur Aufführung und das Stück ist auch aktuell noch auf der Frankfurter Bühne zu sehen. Vor dem Hintergrund des Ortes, nämlich der Stadt Frankfurt, erhält Molières Stück eine besondere Note. Immerhin führt der hohe Anteil an finanzstarken Unternehmen in der City und die Tatsache, dass die Einkommensteuern der Arbeitnehmer in Kassen außerhalb der Stadt fließen, zu einem merkwürdigen Spannungsverhältnis. Der sich im Zentrum konzentrierende Wohlstand steht im krassen Kontrast zu den Obdachlosen im Straßenbild rund um das engere Zentrum. Auch wenn Molière zunächst von einer Gegenüberstellung von Geiz und Lebensglück ausgeht, lässt sich sein Stück vielfältig ausdeuten. Das wurde bereits bei der Erstaufführung deutlich. Amüsiert schienen die wenigsten und Molière sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, zum Lachen über einen moralische Haltung zu veranlassen, die zu verurteilen sei. Daneben klingt aber im Stück auch finanzielle Abhängigkeit an. Doch scheint es weniger Lebensnotwendigkeit zu sein, die Finanzkraft wünschenswert macht, als vielmehr der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung.

Über den gewagten Vergleich von Finanzen und Armut, materiellem Wohlstand und Lebensglück hinaus bietet Molières Stück eine Reihe weiterer Anknüpfungen für die Gegenwart. Dem übersteigerten Geiz von Harpagon, dem zentralen Protagonisten, stehen die von Gefühlen motivierten Konstellationen gegenüber. Das sind zum einen die Partnerwahlen der Kinder von Harpagon. Seine Tochter Élise liebt Valère, der sich als Hausmeister bei Harpagon verdingt hat, um seiner Geliebten nahe sein zu können. Cléante, Harpagons Sohn, liebt Marianne, die Tochter des reichen Ansèlme. Dem reichen wiederum möchte Harpagon seine Tochter Élise zur Frau geben, und zwar einzig und allein, weil er dann keine Mitgift bereitstellen muss. Harpagon, aber auch seine Kinder sehen sich umgeben von Hausangestellten, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Mit ihren Handlungen suchen sie das Beziehungsgeflecht aufzubrechen, was dazu führt, dass die schon bestehenden Verwirrungen nur noch größer werden. Eine Auflösung bahnt sich mit dem Auftreten von Ansèlme an. Es zeigt sich nämlich, dass er der Vater von Valère und Marianne ist, die als arme Waisenkinder in das Stück eingeführt wurden. Eben deren vermeintliche Armut stellte das Haupthindernis für ihre Heirat mit den Kindern Harpagons dar. Doch Ansèlmes Vermögen räumt dieses Argument endgültig beiseite und einem happy end steht nichts mehr im Wege. Die verquickten Verhältnisse lassen deutlich werden, wie sehr sich die jüngere Generation in die Abhängigkeit der älteren stellt. „Gerade dem jugendlichen Quartett gelingt es, vom Thema Geiz loszukommen und als eigentlichen Gruselkern des Stücks den Alptraum der Unfreiheit in einer patriarchalen, absolutistischen, wirtschaftlich abhängigen Struktur freizulegen.“ schreibt die Frankfurter Rundschau in ihrer Premierenbesprechung.

Die mit Molières Stück gegebene Vorlage wird weiter aufgebrochen durch Gesten und Bewegung, der eine bisweilen eigenwillige Choreografie zugrunde liegt. So stimmt sich beispielsweise Andreas Vögler, der in der Figur des Jacques dessen Doppelfunktion als Koch, Kutscher und Wagenknecht Harpagons übernommen hat, durch eine an Karate angelehnte Bewegungen auf die jeweils eingeforderte Rolle ein. Die in einer Person zusammenfließenden Funktionen sind bereits bei Molière angelegt, der damit zeigt, dass Harpagon auch am Personal spart, um sein Geld zusammenzuhalten.

Wie ernst die Rollen allerdings im Stück zu nehmen sind, bleibt offen. Keine ist wirklich eindeutig, alle vereinen weibliche und männliche Anteile in sich. Diese Hybridität ist in den Kostümen angelegt und teilt sich im Verhalten mit. Die von Ana Savic Gecan entworfenen Kostüme, in denen sich Anklänge an barocke Stilelemente mit zeitgenössischem Fashion überlagern, vermitteln nicht nur Lebendigkeit, sondern ebenso den Rollen und ihren Protagonisten eine auffällige Ambivalenz. Fast jedes der Kostüme vereint eine an Ordensgewändern orientierte Seriosität, die zugleich durch raffinierte Details, wie einen Faltenwurf, eine Gewandöffnung, Korsett und hohe Stiefel mit den Attributen von Liebensdienern verknüpft werden. Elise gelingt es mit ihrem Geliebten Valère zu flirten, während sie im gleichen Augenblick ihrem Vater Gehorsam signalisiert und Valère ihm absolute Solidarität versichert. Ungut nur, dass er mit seinen Loyalitätsbekundungen Harpagon gegenüber zugleich Elise und seiner Liebe zu ihr in den Rücken zu fallen droht.

(C) Thomas Aurin

Entsprechend beweglich ist auch das Bühnenbild gehalten. Besteht es anfänglich in einer Wand, die von der einen Seite Gold, von der anderen schwarz erscheint und damit Harpagons Gemütsverfassung aufgreifen, wird diese Wand über die Laufzeit des Stückes hin immer beweglicher. Sie löst sich in Teilstücke auf, die sich drehen und damit nicht nur den Raum verändern, sondern auch die Dynamik der Abläufe zu steigern scheinen. Doch auch diese ist bereits bei Molière angelegt. Die Pläne von Heiraten, die so verquer wie nur denkbar anmuten, werden gefährlich konkret, umso mehr, als auch Marianne deutlich ausspricht, dass sie nicht frei entscheiden kann, da sie nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das ihrer Mutter zu bedenken habe. Die Auflösung erfolgt mit dem Auftreten Ansèlmes. Allein schon, dass dieser mit einem großen Aufmarsch an Personen und mit viel Geflitter von Gold erfolgt, lässt ahnen, dass nun der Verlauf in sein Finale tritt. Ansèlme ist nicht nur reich und bereit, alle zur Rede stehenden Kosten zu tragen, er gibt sich nicht nur als Vater von Marianne und Valère zu erkennen, sondern macht sich vor allem auch dafür stark, dass seine Kinder die Verbindung eingehen, die ihnen ihre Herzen diktieren. Und als am Schluss auch Harpagon sein angeblich gestohlenes Geld zurück erhält, steht nichts mehr einem glücklichen Ausgang entgegen.

Die Inszenierung, vor allem aber die Schauspieler tragen wesentlich dazu bei, dass die Aufführung nicht in eine bloße Gegenüberstellung von Gegensätzen zerfällt. Vielmehr greift sie zwar die den Protagonisten von ihrem Autor zugeschriebenen Eigenarten auf, um jedoch äußerst differenziert die Vielschichtigkeit der einzelnen Charaktere nachzuzeichnen. Dem Geizige, gespielt von Peter Schröder, gewinnt die Inszenierung dennoch sympathische Züge ab.

Fand Moliéres Stück bei seiner Erstaufführung wenig Gefallen – gelacht habe laut Überlieferung nur Boileau, so ruft die Frankfurter Inszenierung viel Heiterkeit hervor. Gelacht wird vor Vergnügen über Witz, Charme und die sympathische Vermittlung schräger Eigenschaften. Ungeachtet, ob dies nun als Botschaft zu verstehen ist, dass Molières Überzeichnungen nicht immer so ernst zu nehmen sind, wie es wohl noch Molières Zeitgenossen taten, oder ob es einfach die Unbeschwertheit ist, mit der eine von Tragik und Komik zugleich bestimmte Handlung zur Darstellung gelangt, mag dahin gestellt bleiben.

(C) Thomas Aurin

Die Besetzung der Rollen:
Peter Schröder (HARPAGON, Vater von Élise und Cléante)
Torsten Flassig (CLÉANTE, Sohn von Harpagon)
Sarah Grunert (ÉLISE, Tochter von Harpagon)
Jannik Mühlenweg (VALÈRE, Sohn von Anselme)
Tanja Merlin Graf (MARIANE, Tochter von Anselme)
Uwe Zerwer (ANSELME, der reiche tot geglaubte Vater)
Katharina Linder (FROSINE, Gelegenheitsmacherin, Kupplerin)
Andreas Vögler (JAQUES, Koch und Fahrer bei Harpagon)
Wolfgang Vogler (LA FLÈCHE, Cléantes Hausangestellter)
Michael Schütz (DER KOMMISSAR)
Max Böttcher (BRINDAVOINE, Harpagons Angestellter)
Yannick Sturm (LA MERLUCHE, Harpagons Angestellter)

Künstlerbuch oder Künstlerpublikation? Lia und Dan Perjovschi. Autodrawings und Endless Collection, Kunsthalle Göppingen 2003

Viola Hildebrand-Schat 

Dan Perjovschi ist spätestens seit der 48. Biennale 1999 in Venedig und der documenta fifteen 2022 in Kassel einem breiten Publikum durch seine Zeichnungen im öffentlichen Raum bekannt – Wortgebilde im wahrsten Sinne, semiotische Verflechtungen aus verbal- und bildsprachlichen Zeichen. Die Darstellungen gleichen in ihrer Einfachheit schnell auf Hauswände gesprühten Slogans, greifen aber mit Witz und Anspielungen weiter. Auf einfachste Formen, zumeist Konturen reduziert erscheinen sie allgemein verständlich, sind gleichwohl aber voller Anspielungen, nicht zuletzt solchen, die aus Buchstaben- oder Silbenumstellungen wie auch der Verknüpfung von Bild- und Textzeichen resultieren. Mit dieser scheinbar einfachen und zugleich höchst komplexen Äußerungsform schreibt sich der Künstler in einen öffentlichen Diskurs ein, der, wie er wiederholt deutlich macht, den Stellenwert von Kunst innerhalb eines von Politik und Ökonomie bestimmten Gesellschaftssystems deutlich macht. Allerdings beansprucht Perjovschi keine Deutungshoheit für sein Werk. Im Gegenteil ist es geradezu dafür prädestiniert, unter unterschiedlichen Blickwinkeln erfasst und verstanden zu werden. Eine solche Auseinandersetzung mit dem Werk des Künstlers begründet sich aus ihrem reaktiven, orts- und zeitspezifischen Ansatz.

Den Wandzeichnungen, die Perjovschi seit den frühen 1990er Jahren im öffentlichen und halböffentlichen Raum in den Museen westlicher Länder ausgeführt hat, geht eine Entwicklung voraus, die sich mit der Biografie des Künstlers im repressiven System Rumäniens verknüpft, die aber wesentlich die Besonderheit der Zeichnungen und ihrer Genese begründet.

Dan Perjovschi. Autodrawing, 2003
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Untranquil now. Eine Konstellation aus Erzählungen und Resonanzen. Künstlerische Gesten, Performances und Projektionen

Viola Hildebrand-Schat 

Hamburger Kunsthalle, 30. Mai 2014 bis 19. Januar 2025

Die mit dem wenig konkreten Titel Untranquil angekündigte Ausstellung in der Galerie der Gegenwart in der Hamburger Kunsthalle versammelt knapp 50 Arbeiten, die als repräsentativ für die internationale zeitgenössische Kunst gelten können, sofern man angesichts der Fülle, die das Zeitgenössische zu bieten hat, überhaupt von repräsentativ sprechen kann. In jedem Fall erfüllen die Arbeiten, was der Titel verspricht: ein multimediales Gesamtereignis, in dem mit Installation, Zeichnung, Malerei, Video und Sound verschiedene Positionen zur Sprache kommen. Die vertretenen Künstler sind keine Unbekannten, vielmehr einem breiten Publikum bereits durch Teilnahmen an Biennalen, unter anderem in Venedig, Sidney oder im Whitney Museum, oder Ausstellungen in der mit Exponaten aus der Sammlung von François Pinault bespielten Börse in Paris bekannt. Etliche von ihnen waren oder sind auch in Deutschland präsent, so bei der documenta in Kassel, bei Ausstellungen im Haus der Kulturen der Welt in Berlin oder durch einen Stipendienaufenthalt auf Schloss Solitude bei Stuttgart.

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Licht, Luft, Papier und Wand – Arbeiten mit dem Raum oder Fritz Balthaus‘ Poststudio

1982 erscheint ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Nichtssagender Titel“. Autor ist der Künstler Fritz Balthaus, dessen buchkünstlerischen Publikationen sich keineswegs auf den Nichtssagenden Titel beschränken, vielmehr dieser erst den Anfang eines umfangreichen Oeuvres bildet, zu dem etliche weitere Auseinandersetzungen mit dem Buch und seiner Wesenhaftigkeit gehören. Solche Reflexion des Buches erfolgt unter anderem mittels der Publikationen anderer Autoren, wie etwa dem beim Merve Verlag erschienen Titel Die Weiße Zelle, der deutschen Übersetzung von Brian O’Dohertys 1976 erschienenem Essay The White Cube. Indem Balthaus den Titel durch einen geringfügigen Eingriff manipuliert, macht er sich das Buch zu eigen. Aus „Zelle“ wird „Zeile“ und mit Blick auf die nun weiße Zeile sind alle im Buch auftretenden Zeilen als weiß vorzustellen. Konkret heißt das, dass das Buch leer scheint, dafür aber aufnahmebereit für jeden beliebigen Inhalt. Der solchermaßen leer erscheinende Raum im Buch erweist sich als Äquivalent des als „White Cube“ bezeichneten neutralen Ausstellungsraumes, wie ihn O’Doherty zum Gegenstand seines Textes genommen hat.

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Der Skandal und die Folgen. Ein Podiumsgespräch im Nachgang zur documenta 15 im Jüdischen Museum Frankfurt am Main

Viola Hildebrand-Schat

Während der documenta 15, der weltweit größten zeitgenössischen Kunstausstellung, haben israelfeindliche und antisemitische Positionen eine zentralen Auftritt gehabt. Eine erster Ausgangspunkt – zumindest für die von der Presse angestoßenen Diskussion – war ein am Friedrichsplatz installiertes Banner der Gruppe Taring Padi. In dem großformatigen Wimmelbild war deutlich antisemitistische Ikonografie auszumachen. Was sich die Aussteller dabei gedacht hatten, blieb bis zum Schluss offen. Dass die Installation der Arbeit weder unbedacht geschah noch ohne Wissen um die Brisanz der Darstellung geschah, muss angesichts der Tatsache, dass die Arbeit erst nach der Pressekonferenz und nach dem offiziellen Eröffnungsakt sichtbar wurde, unterstellt werden. Bereits diese Verzögerung der Veröffentlichung hätte eine Erklärung wünschenswert sein lassen. Doch blieb sie aus, ebenso wie das Banner schnell abgehängt wurde, anstatt zum Anlass für eine offen zwischen Kuratoren und Publikum geführten Diskussion genutzt zu werden. Zuvor war dramatisch mit einer schwarzen Folie kaschiert worden – eine Geste, mit der die Kuratoren ihrer Betroffenheit über das Unverständnis Ausdruck verleihen wollten. Oder ging es dabei noch um etwas anderes? Dabei wäre eine Auseinandersetzung mit und angesichts des Bildes– so Wenzel – nicht nur wünschenswert, sondern absolut notwendig gewesen. Gerade diese eine Arbeit hätte die Vorlage für das Kuratorenteam liefern können, sich zu erklären, Stellung zu nehmen und so möglicherweise die die gesamte documenta überschattenden Angriffe verhindern können.

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Onkel Wanja von Anton Tschechow

Schauspiel Frankfurt, Regie: Jan Bosse

Sicher zählen die Stücke von Anton Tschechow zu den Klassikern der Bühne. Gerade das Schauspiel Frankfurt bringt mit Regelmäßigkeit das eine oder andere zur Aufführung. Vordergründig scheinen Langmut, wenn nicht gar das sich in Langeweile erschöpfende Leben des wohlhabenden Bürgertums im Vordergrund zu stehen. Die Stücke von Tschechow fokussieren vornehmlich Aufenthalte auf den Landgütern während der langen Sommermonate. Die Anwesen dienen als Rückzugsort und bieten eine dem Leben in der Stadt entgegengesetzte Atmosphäre der Entspannung und Idylle. Doch scheinen die Protagonisten wenig von den Möglichkeiten auf dem Lande zu profitieren.

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Saodat Ismailova: Bibi Seshanbe

Die Diskussionen um die documenta scheinen sich nicht beruhigen zu wollen. Nach wie vor fokussieren sie antisemitische Positionen, ohne jedoch dabei sonderlich in die Tiefe zu gehen, verschiedenen Sichtweisen einander gegenüberzustellen und dem Blickwinkel der Kuratoren Raum zu geben. Sicher habe auch die Kuratoren der documenta wenig dazu beigetragen, ihr Auffassung zu erhellen und den Gebrauch einer Symbolik, die die Diskussionen ausgelöst hat, ausreichend zu erläutern. Absehbar wird es in dieser Diskussion keine abschließende Klärung geben und wohl auch kein Ausloten unterschiedlicher Sichtweisen. Schade ist nur, dass den vielen wenig fruchtbar geführten Diskussionen die auf der documenta ausgestellten Werke zum Opfer zu fallen drohen. Kaum wird über sie gesprochen, über sie geschrieben. Mögliche Interessenten der documenta fragen sich inzwischen, ob sich der Besuch der Weltkunstausstellung nun in diesem Jahr tatsächlich lohne oder ob man sich die Reise nach Kassel ersparen könne.

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Alle sprechen über die documenta fifteen, keiner redet über die Kunst

Nachdem die diesjährige documenta schon im Vorfeld zu allerhand Spekulationen Anlass gegeben hat, überschlagen sich nun die Kommentare, scharfe Kritik und Vorwürfe gegenüber den Organisatoren und Verantwortlichen dominieren jedes Gespräch, jeden Bericht über die documenta. Die Kunst, die reichlich vertreten ist, scheint darüber gänzlich unterzugehen. Dabei bietet gerade diese ein umfassendes und abwechslungsreiches Programm. Die in den verschiedenen Künstlerkollektiven aktiven Künstler werden sich im Verlaufe der 100 Tage documenta ablösen und dabei jeweils neue Positionen eröffnen.

Tolookat wird den Wechsel über den Verlauf der documenta hin verfolgen und über die künstlerischen Positionen berichten. Ein erster Blick gilt Nino Bulling, der in der Hafenstraße seine neuste Graphic Novel Abfackeln vorstellt. (siehe hier auf tolookat / Rubrik Bücher)

Cholin 100. Eine Werkauswahl in 3 Teilen

Die Rezeption einiger vergessener Dichter aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts erfolgte nach 1990 allmählich. Bekannt wurden Namen, die im Stalinismus systematisch ausgelöscht worden waren und darüber mehr oder weniger in Vergessenheit geraten waren, darunter Daniil Charms, Aleksandr VVedenski oder Vsevolod Nekrasov. Weniger Beachtung fanden im Zuge der Neuentdeckung andere, wie Genrich Sapgir oder Igor Cholin. Letztere gehörten einem Kreis an, der als Lianosovogruppe, der zu Sowjetzeiten eine kleine Gruppe von Literaten und Künstler umfasste, die sich in dem unweit Moskaus gelegenen Ort Lianosovo im Umkreis von Oskar Rabin zusammenfanden.

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Peter Weiss. Abschied von den Eltern

Kammerspiel Frankfurt

„Ich habe oft versucht, mich mit der Gestalt meiner Mutter und der Gestalt meines Vaters auseinanderzusetzen, peilend zwischen Aufruhr und Unterwerfung.“ So beginnt Peter Weiss seine 1962 begonnene, 1963 erstmals beim Suhrkamp Verlag erschienene Erzählung Abschied von den Eltern, die auf ihre Weise eine Hommage an die Eltern scheint, tatsächlich aber eine Auseinandersetzung mit dem eigen Ich ist. Die analytische Aufarbeitung der Vergangenheit, die dann im Weiteren den Inhalt bestimmt, greift einer wenige Jahre später fast schon zur Mode werdenden Praktik voraus: der aktive Gebrauch von psychoanalytischen und psychotherapeutischen Methoden.

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