Dan Perjovschi ist spätestens seit der 48. Biennale 1999 in Venedig und der documenta fifteen 2022 in Kassel einem breiten Publikum durch seine Zeichnungen im öffentlichen Raum bekannt – Wortgebilde im wahrsten Sinne, semiotische Verflechtungen aus verbal- und bildsprachlichen Zeichen. Die Darstellungen gleichen in ihrer Einfachheit schnell auf Hauswände gesprühten Slogans, greifen aber mit Witz und Anspielungen weiter. Auf einfachste Formen, zumeist Konturen reduziert erscheinen sie allgemein verständlich, sind gleichwohl aber voller Anspielungen, nicht zuletzt solchen, die aus Buchstaben- oder Silbenumstellungen wie auch der Verknüpfung von Bild- und Textzeichen resultieren. Mit dieser scheinbar einfachen und zugleich höchst komplexen Äußerungsform schreibt sich der Künstler in einen öffentlichen Diskurs ein, der, wie er wiederholt deutlich macht, den Stellenwert von Kunst innerhalb eines von Politik und Ökonomie bestimmten Gesellschaftssystems deutlich macht. Allerdings beansprucht Perjovschi keine Deutungshoheit für sein Werk. Im Gegenteil ist es geradezu dafür prädestiniert, unter unterschiedlichen Blickwinkeln erfasst und verstanden zu werden. Eine solche Auseinandersetzung mit dem Werk des Künstlers begründet sich aus ihrem reaktiven, orts- und zeitspezifischen Ansatz.
Den Wandzeichnungen, die Perjovschi seit den frühen 1990er Jahren im öffentlichen und halböffentlichen Raum in den Museen westlicher Länder ausgeführt hat, geht eine Entwicklung voraus, die sich mit der Biografie des Künstlers im repressiven System Rumäniens verknüpft, die aber wesentlich die Besonderheit der Zeichnungen und ihrer Genese begründet.
Neben die Wandzeichnungen treten als Vermittlungsform seiner künstlerischen Programmatik die vom Künstler konzipierten Bücher. Sie entstehen häufig im Rahmen von Ausstellungen, doch nicht anstelle eines Ausstellungskataloges, sondern vielmehr als mobile und permanente Erweiterung der auf der Wand getroffenen Äußerungen. Über einen zweifachen Transfer finden so die ursprünglich in Notiz- und Skizzenbüchern festgehaltenen Impressionen und Reflexionen über die Wand zurück ins Buch. Die Buchdoppelseiten ersetzen gleichsam die Wand. Die Zeichnungen im Buch nehmen in gleicher Weise wie die Wandarbeiten neben Alltagspolitischem auch Bezug auf den unmittelbaren Kontext des Ausstellungsortes, daneben aber auch allgemein sozio-politische Belangen und vor allem der Stellenwert von Kunst in einem von wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen bestimmten System. Über den spezifischen Ortsbezug hinaus thematisiert der Künstler in beiden Publikationen seine Beobachtungen am Kunstsystem.
Werner Meyer von der Kunsthalle Göppingen lernt das Künstlerpaar 1996 bei einer der ersten Veranstaltungen von Open Studio in Bukarest kennen. Open Studio ist ein von Lia und Dan Perjovschi organisierter Multifunktionsraum, in dem Ausstellungen, Konferenz und Gespräche stattfinden, an der Kuratoren und Künstler aus London und New York teilnahmen.
Im Rahmen der von Meyer für die Kunsthalle Göppingen organisierte Ausstellung Endless Collection erscheinen mit Blick auf die von beiden Künstlern gezeigten Werkbeispiele mit zwei Publikationen, von denen Autodrawing Zeichnungen von Dan Perjovschi zeigt, während die unter dem gleichen Titel wie die Ausstellung gestellte Publikation Einblick in Lia Perjovschis archivalische Arbeiten gibt, die zum einen an das von ihr 1991 ins Leben gerufene CAA, das Contemporary Art Archive aufgreifen, mit dem sie einen Überblick über die zeitgenössischen nicht offiziellen Aktivitäten von Künstlern zu kommunistischen Zeiten geben will. Im Mittelpunkt von Endless Collection steht das Motiv des Globus, das als in den unterschiedlichsten Ausformungen in Lia Perjovschis Sammlung aufgenommen wird. Das im Rahmen der Ausstellung erschienene Buch wird nun selbst zum Sammlungsraum, der über die Ausstellung hinaus bestehen bleibt.