1982 erscheint ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Nichtssagender Titel“. Autor ist der Künstler Fritz Balthaus, dessen buchkünstlerischen Publikationen sich keineswegs auf den Nichtssagenden Titel beschränken, vielmehr dieser erst den Anfang eines umfangreichen Oeuvres bildet, zu dem etliche weitere Auseinandersetzungen mit dem Buch und seiner Wesenhaftigkeit gehören. Solche Reflexion des Buches erfolgt unter anderem mittels der Publikationen anderer Autoren, wie etwa dem beim Merve Verlag erschienen Titel Die Weiße Zelle, der deutschen Übersetzung von Brian O’Dohertys 1976 erschienenem Essay The White Cube. Indem Balthaus den Titel durch einen geringfügigen Eingriff manipuliert, macht er sich das Buch zu eigen. Aus „Zelle“ wird „Zeile“ und mit Blick auf die nun weiße Zeile sind alle im Buch auftretenden Zeilen als weiß vorzustellen. Konkret heißt das, dass das Buch leer scheint, dafür aber aufnahmebereit für jeden beliebigen Inhalt. Der solchermaßen leer erscheinende Raum im Buch erweist sich als Äquivalent des als „White Cube“ bezeichneten neutralen Ausstellungsraumes, wie ihn O’Doherty zum Gegenstand seines Textes genommen hat.
Wie es sich nun mit diesem Buch wie auch anderen Arbeiten von Balthaus verhält, ist über den jüngst beim Vexer Verlag erschienenen Katalog zum Werk des Künstlers zu erfahren. Dieser Katalog ist selbst wie eines der Buchwerke von Balthaus gestaltet, orientiert er sich doch bereits in seinem äußeren Erscheinungsbild an einem Typus des Self-Publishing, dessen normiertes computergeneriertes Verfahren den Autor von der Festlegung auf einen Titel befreit, indem es anhand der bereits vorhandenen Daten einen authentischen Titel generiert. Solche buchbezogenen Arbeiten lassen leicht vergessen, dass Balthaus‘ künstlerischer Kosmos auch anderen Genres einbindet. Im Katalog werden sie unter so offenen Kategorien wie Licht, Luft, Papier und Wand verhandelt. Bereits diese lassen ahnen, dass Balthaus sich nie ganz von den Materialien entfernt, die das Buch charakterisieren. Vor allem geben sie aber auch die Auseinandersetzung des Künstlers mit Raumfragen zu erkennen. Sie werden nicht nur an seinen als „Zweckform“ bezeichneten Objekte sichtbar, die auch dann noch wenn sie buchstäblich flachgelegt sind, den Prozess der Formgebung über die zurückgebliebenen Spuren zu erkennen geben. Poststudio. Arbeiten mit Umgebungen kehrt den Konzeptkünstler hervor, der Balthaus ist. Neben umfangreichem Bildmaterial, das das Werk des Künstlers visuell erschließt, umso mehr, als Projekttexte und Zitate sich quasi kommentierend neben die Bilder stellen, enthält der Katalog Texte von Horst Bredekamp, Jana Bruggmann, Guido Fassbinder, Harald Fricke, Peter Friese, Manfred Schneckenburger, Annette Tietenberg und Thomas Wulffen, die das Werk kunsttheoretische kontextualisieren. Eine Übersetzung dieser Texte ins Englische sorgt dafür, dass der Katalog nicht nur im deutschsprachigen Raum rezipiert wird.