Viola Hildebrand-Schat
Die 1980er Jahre verzeichnen neben der Gründung einer Reihe von Museen, die sich ausdrücklich der zeitgenössischen Kunst zuwenden, auch die Einrichtung von zahlreichen unternehmenseigenen Sammlungen. Die Gründe für die Einrichtung solcher Sammlungen sind unterschiedlich, stellen aber durchweg weniger einen Prestigegewinn in den Vordergrund als vielmehr einen kulturellen Auftrag, der mit einem als „Kunst am Arbeitsplatz“ bezeichneten Programm den Angestellten Originalkunstwerke im täglichen Umfeld bereitstellen will. Die Mitarbeiter haben nicht nur die Möglichkeit, aus der unternehmenseigenen Sammlung eine Arbeit für ihr Büro auszuwählen, sondern auch eine Menge über Kunst zu erfahren.
Dafür wurden eigene Vermittlungsprogramme entwickelt, die neben öffentlichen Führungen auch kunstwerkbezogene Talks in der Mittagspause bereithalten. Die Sammlungen der einzelnen Unternehmen suchen über Schwerpunktsetzungen ein eigenes unverwechselbares Profil zu entwickeln. Doch scheint nach dem großen Boom der Jahrzehnte vor der Jahrtausendwende, vielleicht auch bedingt durch diverse Rezensionen und Einbrüche auf den Finanzmärkten, das Sammeln in Unternehmen auf einem absteigenden Ast begriffen.
Umso erfreulicher ist es, dass mit der gewichtigen Publikation zur Julius Bär Sammlung doch noch einmal eine Unternehmenssammlung in den Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit gerückt wird. Die Publikation erscheint anlässlich des Jubiläums, mit dem das Schweizer Bankhaus Julius Bär sein 130jähriges Bestehen und 40 Jahre konzentrierter Sammeltätigkeit feiert. Dabei reicht das Engagement der Bank für Kunst bis in die 1930er Jahre zurück, als Hans E. Mayenfisch begann, Werke von zeitgenössischen schweizer Künstlern anzukaufen. Sein Interesse für Kunst teilte sich schnell seinen Partnern mit, von denen einer, nämlich Werner Bär, nicht nur sammelnd tätig wurde, sondern sich auch als Künstler einen Namen machte. Seither ist die Sammlung auf über 5000 Werke angewachsen, wobei ein dezidierter Schwerpunkt auf das Schaffen von schweizer Künstlern gelegt wurde. Diese Ausrichtung verleiht der Sammlung ihr einzigartiges Profil und bietet die Möglichkeit einer konzentrierten Zusammenschau moderner und zeitgenössischer Kunst aus der Schweiz wie kaum ein anderer Ort.
Und diese Möglichkeit einer Überblicksschau vollzieht die Publikation nach. In großformatigen Abbildungen stellt sie die einzelnen Werke vor, wobei sie auf eine chronologische Ordnung verzichtet. Vielmehr folgt sie einer an den Namen der Künstler ausgerichtete alphabetischen Abfolge. Zudem verzichtet sie fast gänzlich auf Kommentierung oder Beschreibung der einzelnen Arbeiten. Allein durch Werkangaben geleitet, kann sich der Betrachter ganz auf die Werke als solche einlassen, sich auf das Schauen konzentrieren und vom Bild ausgehend eigene Gedanken entwickeln oder auch einfach nur die Darstellung in ihrem vollen ästhetischen Umfang auf sich wirken lassen. Der nach dem Alphabet der Künstlernamen ausgerichteten Abfolge ist es auch zu danken, dass Malerei, Installation, Videokunst, experimentelle Druckverfahren und Fotografie in eine unwillkürliche Abfolge treten, die wiederum dazu veranlasst, dem einzelnen Werk volle Aufmerksamkeit zuzuwenden, ohne nach Bezügen oder Wechselwirkungen suchen zu wollen.
Erst die stellenweise eingeblendeten fotografischen Ansichten der Ausstellungssituation einzelner Werke, also deren Einbindung in das Ambiente der Geschäftsräume, unterbricht die unprätentiöse Abfolge der Werkschau. Gleichfalls eingeblendet sind an diesen Stellen kurze Aufsätze allgemeiner Art zur Unternehmenssammlung und zur schweizer Kunst. Sie stellen sich gleichsam beiläufig neben die Werkschau als unaufdringliche Weiter- und Ausführung – und das umso mehr, als sie wie die Raumansichten auch, im Druck durch die Papierart von den Kunstwerkreproduktionen abgesetzt sind.
Umgeben von Kunst
Die Julius Bär Kunstsammlung, 2021
Herausgegeben von Barbara Staubli und Barbara Hatebur
Gebunden, 404 Seiten, 333 farbige und 25 sw Abbildungen
ISBN 978-3-85881-694-8