Chr. K. Jso Maeder. Journal um eine Erwartung

„Journal“ lässt auf eine Aufzeichnung schließen, eine Dokumentation gar, welcher Art auch immer… Tatsächlich handelt es sich beim Journal um eine Erwartung um ein Buch, hinter dem offenkundig eine doppelte Autorschaft steht, zieht man das an die Stelle des Autorennamens gestellte Kürzel Chr. K. mit dem Zusatz Jso Maeder in Betracht. Doch leicht macht es der, machen es die Autoren dem Leser nicht. Das Journal um eine Erwartung umfasst ein dichtes Konglomerat aus Texten und Zeichnungen, von der Struktur einem Comic oder einer Graphic Novel ähnlich, jedoch ohne eine konkrete Handlungsabfolge, einen Erzählstrang oder überhaupt einen stringenten Verlauf erkennen zu geben.

Vielmehr versammeln sich hier Reflexionen, die dem Bewusstseinsstrom, dem stream of consciousness folgend, frei und unzensiert fließend. Dabei werden die sich im Bewusstsein einstellenden Assoziationen aufgegriffen und unmittelbar abgebildet, etwa durch Neologismen, in denen sich englische und deutsche Wortteile durchdringen, die Nennung von Namen Bezüge aufreißt, um sie dann vom Strom der nachdrängenden Gedanken mitreißen zu lassen, ohne sie weiter auszuführen. Der Gedankenfluss mündet in einen Strudel, der das Ende auf den Anfang zurückführt. In Chr. K.s bzw. Maeders Aufzeichnungen wird das über den bedeutungsträchtigen Verweis deutlich, der gleich zu Beginn und an allererster Stelle daran erinnert, dass es sich hier um die „Fortsetzung von Seite 108“ handle. Mit Seite 108 endet das Journal um eine Erwartung, jedoch nicht, ohne auf die „Fortsetzung auf Seite 3“ zu verweisen. Zwischen diesen beiden Polen hat sich der Rezipient zu orientieren, wobei sich das Lesen der Bilder als ebenso anspruchsvoll erweist, wie das Betrachten der Texte. Offensichtlich ist weder eine nur lesend noch eine nur betrachtende Haltung gewünscht, vielmehr der ständige Wechsel von einem Wahrnehmungsmodus zum anderen erwartet, noch besser jedoch ein lesendes Schauen kombiniert mit einem betrachtenden Lesen. Anlass dazu bietet die Durchdringung unterschiedlicher Techniken ebenso wie die von Text und Bild oder grafischer Zeichen, wobei vereinzelt ganze Doppelseiten von einer bildlichen Darstellung eingenommen sein können, selten jedoch nur von Text.  Chr. K. beginnt sein Journal mit einer Einführung, die in englischer Sprache abgefasst sich an „readers with religious backgrounds in the anglo-saxon area“ richtet, diesen dann mit philosophischen Reflexionen zu Sinn, Theorie und Gegenstand konfrontiert, dabei aber offen lässt, worauf der Schreiber hinaus will. In jedem Fall werden Erwartungen geweckt, die auf den nachfolgenden Seiten nur dann befriedigt werden, wenn sich der Rezipient ganz auf die Gegebenheiten einlässt und sich vom Bewusstseinsstrom fortreißen lässt. Indes wird schnell klar, dass das Journal um eine Erwartung als poetischer Text gelesen werden will, als ein um seiner Formulierungen, Wortschöpfungen und assoziativen Satzgefügen willens. Auch die gewissermaßen als Rahmenwerk dem Journal angefügten Texte von Johannes Binotto, Sabine Folie und Frank M. Raddatz verstehen sich nicht als Anweisung oder Erklärung, sondern vielmehr als ergänzendes, den Reflexionsprozess aufgreifendes Beiwerk. toLookAt

Chr. K. Jso Maeder
Journal um eine Erwartung 1995-2018
Vexer Verlag St. Gallen/Berlin 2021
https://www.vexer.ch/cms/index.php/verlagsprogramm/158-maeder-jso