Als „Archives du future“ bezeichnen die beiden Künstler Silvie und Chérif Defraoui ihre gemeinsame Arbeit, lassen dabei aber jede weitere Spezifizierung offen. Einem breiteren Publikum bekannt geworden ist das Künstlerduo spätestens durch seine Teilnahme an der documenta 9 in Kassel, wo sie ihre Auseinandersetzung mit Fragmentierung und der Erkennbarkeit des Ganzen im Fragment zur Disposition stellten.
Tatsächlich konkretisiert sich in Archives du future das Wesen der Kunst von Silvie und Chérif Defraoui nicht ohne Weiteres. Vielmehr versammeln die Archive der Zukunft einfach die gemeinsamen Arbeiten, die die beiden Künstler auch weniger als einzelne Werke, denn als ein ihnen gemeinsames Projekt fassen. „Jede Werkgruppe ist ein Anhaltspunkt, jeder Titel eine Kapsel der Erinnerung, in der sich Sinn und Widersinn treffen. Sie sind die Kapitel eines organischen Gedächtnisses“, forumliert es Chérif Defraoui.
Die unter gleichem Namen, nämlich „Archives du future“ 2021 erschienene Publikation greift die offene Form des Werkes auf. Kunstwissenschaftler und -kritiker umkreisen hier das Wesen der Archive der Zukunft, ohne sich auf eines der den Archiven eingeschriebenen Prinzipien festzulegen. So treten unterschiedliche Blickwinkel, gefasst in den unterschiedlichen Sprachen, weil jeder Autor sich in dem Idiom seines Landes äußert, nebeneinander. Zur Sprache kommen Überlegungen zur Fiktion, zum Gedächtnis und seinen Wirkweisen, zum Wesen des Fragments, der Bedeutung von Bild und Sprache. Dazwischen treten Reproduktionen von den Werken der beiden Künstler, gleichsam die visuellen Facetten der Archive der Zukunft aufrufend.
Das Nebeneinander von bildlicher Wiedergabe und textlicher Reflektion wirft, wenn auch nicht explizit, die Frage nach dem Wesen der Kunst auf und berührt damit unweigerlich die nach dem für die Zukunft Aufzubewahrenden. Was wird für die Zukunft bleiben, wie lässt sich der die Zukunft bestimmenden Erinnerung vorgreifen und welche Bedeutung werden die Dinge der Gegenwart in der Zukunft haben. toLookAt
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