Schauspiel Frankfurt
Das Stück entstand wahrscheinlich 1595. Die Rahmenhandlung, die Vermählung Theseus‘ mit der Amazonenkönigin Hippolyta und die Segnung dreier Brautpaars durch Elfen am Schluss, lässt vermuten, dass das Stück als Festspiel für eine Fürstenhochzeit bestimmt war. Bereits die Rahmenhandlung ist komplex, geht es hier doch um Liebes- und Heiratshandel. Nach athenischem Recht ist es der Vater, der den Ehemann für seine Tochter bestimmt – und zeigt sie sich nicht willig, ist er berechtigt, Gewalt anzuwenden, zur Not auch die ungefügige Tochter hinzurichten. Diese Regelung allein ist jedoch nicht der einzige Grund, dass Hermia, die Tochter Theseus, und Lysander nicht die Ehe eingehen können. Schwerwiegender ist, dass Theseus dem Werben Demetrius‘ nachgegeben hat. Zu weiteren Komplikationen kommt es, weil auch Demetrius geliebt wird, allerdings nicht von der von ihm ersehnten Herminia, sondern von deren Freundin Helena. Gespielt wird Theseus von Isaak Dentler, Hippolyta von Anna Kubin, die zugleich auch Titania, die Gattin des Oberon verkörpert. In der Rolle von Lysander ist Mitja Over zu sehen, in der von Hermia Rokh Ober und Helena wird von Tanja Merlin Graf gespielt. Parallel zu den Heiratsverhandlungen agiert eine Athener Schauspieltruppe, die die Aufführung eines Stücks am Hofe des Königs anlässlich der anstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten vorbereiten. Auch in ihrem Stück geht es um ein Liebespaar, das aufgrund familiärer Konstellationen nicht zueinander kann. Doch finden die Liebenden Mittel und Wege, miteinander zu kommunizieren und vereinbaren ein heimliches Treffen, das ihre gemeinsame Flucht vorbereiten soll. An dieser Stelle zeigt die Theaterhandlung eine Parallele zu den Plänen von Herminia und Lysander. Doch diese werden auf wundersame Weise unterlaufen. Wie und auf welche Weise ist Gegenstand der Kernhandlung von Shakespeares Komödie.

Es ist die Handlung, die dem Stück ihren Titel gegeben hat, sie den Hauptteil des Stückes und ereignet sich in einer Traumwelt – einem Waldstück, in dem Elfen ihr Wesen treiben und in Spiel und Scherz allerhand Verwirrung zwischen den Menschen stiften. Der Elfenkönig Oberon will sich mit einem Schabernack an seiner Gemahlin rächen, weil sie seinen Wünschen nicht gerecht wird. Über Puck, seinen Bockbeinigen Gehilfen, lässt er sie mit Hilfe vom Saft einer Pflanze mit magischen Kräften, verblenden. Wacht sie aus ihrem Schlaf auf, wird sie sich in das erstbeste Wesen, das sie sieht, verlieben. Dass dies nun ausgerechnet der ebenfalls von Puck in einen Esel verwandelte Zettel ist, ist Zufall. Zettel, gespielt von Christoph Pütthoff, gehört zu der Schauspieltruppe, die die Aufführung für die königliche Hochzeit vorbereitet hatten. So verschränken sich an dieser Stelle die Handlungsstränge. Das Geschehen gleitet in eine mehr oder weniger unwirkliche Welt – die der Feen, Elfen und anderer Wesen, die heimlich im Wald ihr Wesen treiben. Im Stück unter der Regie von Christina Tscharyiski ist diese Zauberwelt durch kunstvoll geschwungene Brücken und Balken in einem aus Papierschnitten gewebten Dickicht vorgestellt. Der Zauberwald leuchtet rot im Bühnenmittelgrund, er bildet eine fuchsrote Kulisse für die in roten Kostümen auftretenden Elfen. Es sind enganliegende Anzüge, die Körperbewegungen und Gestik viel Raum lassen, doch gleichzeitig sind sie mit fantasievollen Ornamenten überzogen, die den Körpern zusätzliche Konturen aufprägen. Lose flatternde Schleicher umschweben den einen oder anderen. Durch das viele Rot setzt sich der Aktionsraum sichtlich gegen die übrige Welt ab, die der Schauspieltruppe und die des Königs und seiner zukünftigen Gemahlin Hippolyta. Dennoch sind die unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen nicht hermetisch gegeneinander abgeriegelt. Die Schauspieltruppe hat das Waldstück für ihre Proben gewählt, König Theseus zieht mit seinem Gefolge bei der Jagd durch eben diese Gegend. Die Elfen bleiben allerding, sobald Menschen nahen, im Verborgenen. Den Menschen nähern sie sich nur im Schlaf. Diese Gegebenheit erlaubt es, die Handlungsabläufe jederzeit als Traumgeschehen zu betrachten, also aus der Wirklichkeit der Rahmenhandlung auszugrenzen.

Die auf mehreren Ebenen angesiedelte Handlung lässt deutlich werden, dass Shakespeare auf unterschiedlichste Quellen zurückgriff. Anregungen bezog er wohl von Geoffrey Chaucer, dem Dichter der Canterbury Tales, weiterhin von Thomas Norton Plutarch-Übersetzung der Lebensschilderung des Königs Theseus und nicht zuletzt Ovids Metamorphosen, in denen die Geschichte von Pyramus und Thisbe ausführlich beschrieben wird. Bei Shakespeare allerdings wird sie zum Gegenstand einer Persiflage und das Leid der Liebenden ins Komische verkehrt. Diesen Aspekt greift die Schauspieltruppe grandios auf, um gleichzeitig auch das Schauspiel als solches als Spiel zu inszenieren. Zur vollen Darstellung der Geschehnisse um Pyramus und Thisbe kommt es dabei nicht. Ihr dramatisches Ende geht im Spiel im Spiel unter. Die Figur des Oberon und seines Elfenvolkes hat sich Shakespeare wohl von dem Theaterstück Huon de Bordeaux inspirieren lassen, das zu seinen Lebzeiten in England aufgeführt wurde. Aber auch die keltische Folklore seiner Heimat mag ihren Einfluss genommen haben. Die Inszenierung entspricht den verschiedenen Bezugsquellen mit einer Gegenüberstellung von Sprache, Bühnenbild und Kostümen. Allein über die Farben von Gewändern und Bühnenausstattung werden die verschiedenen Ereignisebenen ablesbar. Ähnlich verhält es sich mit der Sprache. Eng an Shakespeare orientiert, voll ziehen sich die Reden doch in unterschiedlichem Duktus. Artifizielle Satzkonstruktionen wechseln mit alltäglichen Formulierungen. Akzentuiert werden die Redeanteile durch lebhafte Mimik, durchbrochen von Gesangseinlagen. Bei aller Lebendigkeit, mit der die Spieler ihre Rollen vertreten, vollziehen sich die Handlungen angenehm unaufgeregt, an keiner Stelle überschlagen sich die Stimmen, wird die Musik überlaut oder Balgereien zu gewaltsam. Den Zuschauern bietet sich ungebrochener Genuss, verlangt ihnen an der einen oder anderen Stelle ein vergnügtes Lachen ab.
BESETZUNG
Isaak Dentler (Theseus/Oberon)
Anna Kubin (Hippolyta/Titania)
Mitja Over (Lysander)
Miguel Klein Medina (Demetrius)
Rokhi Müller (Hermia)
Tanja Merlin Graf (Helena)
Andreas Vögler (Egeus)
Annie Nowak (Puck)
Peter Schröder (Franz Flaut/Thisbe/Bohnenblüte)
Melanie Straub (Schnock/Löwe/Mond/Spinnweb)
Michael Schütz (Tom Schnauz/Wand/Senfsamen)
Matthias Redlhammer (Peter Squenz)
Christoph Pütthoff (Niklaus Zettel/Pyramus)
TEAM
Regie: Christina Tscharyiski
Bühne: Stéphane Laimé
Kostüme: Leonie Falke
Stunt Coach: René Lay
Musik: Cornelia Pazmandi
Dramaturgie: Lukas Schmelmer
Licht: Tobias Lauber