Mit Malina, dem ersten und einzigen Roman der als Lyrikerin und Verfasserin von Hörspielen bekannt gewordenen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann wagt sich das Frankfurter Schauspiel erneut an die Inszenierung einer Romanvorlage. Malina ist nicht das erste Romanwerk, das auf der Frankfurter Bühne zur Darstellung gelangt. Bereits in der Vergangenheit waren mit Die Wahlverwandtschaften von J. W. Goethe, mit Das siebte Kreuz von Anna Seghers (2018), Die Blechtrommel von Günther Grass (2017) oder Michail Bulgakows Der Meister und Margarita (2014) – um nur einige Beispiele zu nennen – Umschreibungen erzählender Prosa für die Bühne vorgenommen worden.
Inwieweit ein solches Unterfangen sinnvoll oder angemessen ist, sei dahingestellt. In jedem Fall liegt dem Roman als Literaturgenre eine Konzeption zugrunde, die von einer Rezeption ausgeht, die nicht zwangsläufig auf Visualisierung angelegt ist. Eine Umschreibung für die Bühne hat also unterschiedlichste Aspekte zu bedenken.
Bachmanns Roman Malina ist bereits in Form von Lektüre nicht leicht zu erfassen. Gleichwohl abwechslungsreich geschrieben entzieht er sich einer stringenten Narration. Mit den Hauptprotagonisten Ivan, Malina und der Ich-Erzählerin gleiten Rollen und Personen ineinander. Ließen sich deren Anteile noch aus der Persönlichkeit der Autorin heraus begründen, indem die von ihr eingangs vorgestellten Personen die verschiedenen Facetten ihres Selbst verkörpern einschließlich ihres Sehnens nach einer Halt bietenden Liebe, so bringt das zweite Kapitel mit der Doppelrolle von Vater und Mörder erneut Dunkelheit ein. Wiederum mit Blick auf die autobiographischen Bezüge, die immer wieder in dem Roman Malina erkannt und hervorgekehrt wurden, ließe sich dieser Abschnitt als eine Auseinandersetzung der Autorin mit ihrem Elternhaus beschreiben. Der Vater, ein Lehrer, war schon früh in die Nationalsozialistische Partei eingetreten und nicht nur der Nationalsozialismus, sondern nicht weniger der Krieg warfen ihre dunklen Schatten über Kindheit und Jugend Bachmanns.
Malina – eine Autobiographie, der Versuch, das eigene Selbst schreibend zu erkunden und zu durchdringen? Doch wer ist Malina? Im Russischen bedeutet Malina Himbeere, im Rotwelsch wird damit ein verbrecherischer Plan bezeichnet und nicht zuletzt versteckt sich in einer anagrammatischen Auflösung in „Malina“ „Animal“. Unter „Animal triste“ greift Jahre später Monika Maron das Stichwort auf, um ebenfalls in einer Mischung aus Biographischem und Fiktivem den Roman des eigenen Lebens vorzulegen.
Doch wie nun sieht die von Lilja Rupprecht und Katrin Spira vorgenommene Umsetzung von Bachmanns Malina im Kammerspiel aus?
Dem Aufeinandertreffen verschiedener Protagonisten entspricht die Aufführung mit vier Schauspielern – Inga Busch, Manja Kuhl, Fridolin Sandmeyer und Philipp Rohmer und einer Mischung aus Vortrag des Romantextes, Spiel und tänzerischen Einlagen. Doch ist auch hier mit den vier Darstellern keine eindeutige Rollenzuweisung intendiert, vielmehr wandeln sich die Protagonisten durch mehrere Kostümwechsel, die einige Male auch einen Wechsel des Geschlechts suggeriert. Diese Auffächerung des Personals findet eine Erweiterung durch Masken, mit denen am Übergang vom zweiten zum dritten Teil alle Schauspiele ihre Identität ein weiteres Mal verändern.
Hinzu kommen direkte und indirekte Darstellung, das heißt gleichermaßen eine zuschauerzugewandte Rede wie eine, die zwar vom Hintergrund der Bühne aus erfolgt, aber über eine mittels Kameraaufnahme und Projektion in den Bühnenmittelgrund umgelenkt wird und den Sprecher nur als Bild erscheinen lässt.
Das facettenreiche Spiel wird von einer Vielzahl von Spiegeln, die den Bühnenhintergrund stellen, reflektiert und zugleich gebrochen, denn die Spiegelflächen sind nicht eben und die Spiegelungen so nur teilweise sichtbar. Das kaleidoskopische Spiel wird weiterhin um musikalische Einlagen ergänzt oder aufgebrochen, die mehr oder weniger in einem Bezug zur Handlung stehen. Während von Anbeginn an kontinuierlich das Stück durch den am Klavier improvisierenden Rohmer untermalt wird, erfolgen sporadisch Rock- und Pop-Einlagen, die das Publikum durch ihre Lautstärke offensichtlich aus dem Bühnenraum in die Diskothek entführen wollen.
Rätselhaft, gleichwohl anspielungsreich erweisen sich neben den Spiegeln auch die übrigen Requisiten und Bühnenausstattungselemente, insbesondere die riesigen Beine einer Skulptur, die an antike Archaik angelehnt sicher als Anspielung auf die Gigantomanie nationalsozialistischer Architektur bestimmt ist und darüber die bisweilen latente, bisweilen aber auch massiv hervortretende Gewalt des Stückes unterstreicht.
In jedem Falle abwechslungsreich, durch Kostüme und Bühnenausstattung reich an visuellen Eindrücken, gestaltet sich der Roman Bachmanns auf der Bühne als kurzweiliges und zugleich nachdenklich stimmendes Spektakel. Kammerspiel Frankfurt am Main toLookAt