Wer sich Einblick in Künstlerbücher verschaffen will, wird es nicht immer ganz leicht damit haben, erschließt sich der Gegenstand doch eigentlich erst in seinem vollen Umfang, wenn man ihn in der Hand hat, darin blättern und in der Interaktion der Aussage oder Bedeutung habhaft werden kann. Doch was genau ist mit Aussage oder Bedeutung gemeint? Diese Frage führt unmittelbar auf das Wesen des Künstlerbuches, das einerseits Buch, andererseits Kunstwerk ist und deshalb nicht wie ein Lehrbuch oder ein Roman einfach nur einen Text beinhaltet.
Falls überhaupt ein Text enthalten ist – und bei etlichen Künstlerbüchern ist das nicht der Fall – geht es weniger um Vermittlung textlicher Inhalte, als vielmehr um eine Inszenierung all dessen, was den Gegenstand ausmacht. Und das sind die Materialien, aus denen er gefertigt ist, die Art und Weise ihrer Verarbeitung und nicht zuletzt das Zusammenspiel von Material, buchmedialen Eigenschaften und deren Handhabung durch den Rezipienten. Will man also ein bestimmtes Künstlerbuch kennenlernen, wird es kaum genügen, einfach nur über den Gegenstand ein paar Informationen einzusammeln, eine Beschreibung zu lesen oder die Reproduktionen von zwei, drei oder vier Doppelseiten zu sehen. Doch genau das scheint der 2021 erschienene Band mit einem Überblick über das buchkünstlerische Werk des Schweizer Künstlers Klaus Born zu tun. Und dennoch – trotz der vorgeblichen Vorbehalte – erschließt sich der Zugang zum Kosmos der Bücher auf eindrücklich Weise. Der Verlag kündigt den Band Klaus Born. Bilder zum Lesen als „Metabuch“ an und trifft damit den Punkt.
Als Metabuch behauptet das Buch von sich, nicht nur ein Buch über Bücher zu sein, sondern sich mit den vom Künstler konzipierten Büchern auf eine Ebene zu stellen. Und es gelingt, denn das Verlagsbuch versucht nicht dem Künstler nachzuschaffen, entfaltet vielmehr seinen eigenen Ausdruck, der gleichsam beiläufig dann auf das buchkünstlerische Oeuvre Borns hinführt. Das Buch über Bücher stellt sich als eine Art Anthologie dar, indem es aus den einzelnen Buchwerken Borns ausgewählte Seiten aufgreift und in eine Abfolge stellt – und das ohne Kommentar, ohne den Versuch einer Erklärung oder einer Beschreibung. Die je individuelle Vorgehensweise des Künstlers spricht für sich, der Übergang von einem Werk zum nächsten wird durch zwei farblich und im Format von den Reproduktionen geschiedene Blätter mit einem poetischen Text von Klaus Metz moderiert.
Und auch wenn man Metz‘ Texte mit den Büchern Borns in Beziehung setzen wollte, bilden sie doch eigene, in sich ruhende Einheiten, die nicht auf Erklärung von etwas zielen, was nicht zu erklären ist. Und eben der rhythmische Zusammenklang zweier unterschiedlicher Werke, die durch die bloße Tatsache gemeinsam in einem Band versammelt zu sein, ohne sich forciert zueinander in Bezug zu setzten, bedingt den quasi buchkünstlerischen Duktus des Buches über Künstlerbücher. Die Übersetzung der Born’schen Künstlerbücher in einen Metaband kann vor allem auch gelingen, weil Born an keiner Stelle auf eine sich über den gesamten Buchkörper entfaltende Abfolge setzt. Vielmehr dient ihm das Medium Buch dazu, über eine Folge von Seiten hin dem freien Spiel künstlerischen Arbeitens Raum zu geben, informelle Malweisen über die Seiten auszubreiten, Übermalungen vorzunehmen oder auch mit Collagen zu intervenieren. Auf ein solches freies Vorgehen führt die Einbandgestaltung von Bilder zum Lesen hin, indem sie die charakteristischen Titelinformationen hinter eine glänzende Lackschicht informeller Malweise zurücksetzt und darüber eine Zurückhaltung übt, wie sie sich auch im Inneren fortsetzt. Dem entspricht auch, dass das Werkverzeichnis mit detaillierten Angaben zu den einzelnen Büchern im hinteren Teil des Bandes eingebunden ist. toLookAt
Klaus Born. Bilder zum Lesen, hg. v. Mirjam Fischer
196 Seiten, 471 farbige Abbildungen, gebunden, 23 x 30,5 cm